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Paris Fashion Week: die Woche der Paradoxe

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Wenn auch die Paris Fashion Week durch das unvermutete Ende von John Gallianos Karriere als Chefdesigner bei Christian Dior in ihren Fundamenten erschüttert wurde, so ist es ihr dennoch gelungen, in ihrer ersten Ausgabe 2011 die Polemik vergessen

zu lassen. Kein Zweifel, die Welt der Mode ist in Bewegung geraten. Nicht nur bei Dior bricht man zu neuen Horizonten auf (Ablösung), bei Hermès folgt Christophe Lemaire auf Jean Paul Gaultier, Nichola Formichetti steigt bei Thierry Mugler ein, und es wird gemunkelt, dass Givenchy und Yves Saint Laurent sich vermutlich von ihren Art Direktoren trennen werden.

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kommenden Winter sind klare Töne angesagt: flaschengrün, indisch Rosa, tabakfarben, aber auch neutralere Farben wie taubengrau, beige oder gebrochenes Weiß. Kombinationen von zwei Materialien sind weiterhin im Trend: extra feines Leder/Wolle, Seide, Fuchs oder rasierter Pelz (Ziegenleder, Kaninchen, Nerz) sind stark im Kommen. Aus kommerzieller Sicht betrachtet verhalten sich die Modeschöpfer sehr geschickt, wenn sie mehrere Materialien in einem Kleidungsstück verarbeiten, da sie auf diese Weise den verschiedenen Geschmacksrichtungen ihrer Kunden entgegen kommen.

Wenn auch Paris nichts von seiner unverwechselbaren Eleganz eingebüßt hat, so lässt es doch von seinem Intellektualismus ab und passt sich der Experimentierfreudigkeit ausländischer Stylisten an, deren Kreativität mit der legendären Pariser Kunstfertigkeit verschmilzt. Als neuer Kreativdirektor bei Thierry Mugler hat Nichola Formichetti letzten Mittwoch eine wahre Show inszeniert. Schon 2009 hatte die Popdiva Lady GaGa ihre Leidenschaft für die Kreationen des Stylisten italienisch-japanischer Herkunft entdeckt, der damals kaum bekannt war. In jungfräuliches Weiß gehüllt beherrscht der Star die Szene und macht den Modellen einer Kollektion Konkurrenz, die der Marke Thierry Mugler neuen Glanz und neue Energie verleiht. In dieser Saison stehen offizielle Präsentationen von Corrado de Biase und Hakaan Yildirim auf dem Kalender, dem Preisträger des ANDAM-Award 2010, der sich in London schon einen Namen gemacht hat. Seine Fans, die Topmodels Karolina Kurkova, Maria Carla Boscono und Natalia Vodianova liefen für ihn über den Laufsteg.

Der Erfolg der niederländischen Modedesignerin Iris Van Herpen mit ihrer Haute-Couture-Kollektion im Januar hat ihre Landsleute motiviert… Josephus Thimister hat eine erste sehr vielversprechende Prêt-à-Porter-Kollektion in Paris gezeigt wie übrigens auch die junge Stylistin Steffie Christiaens, die sich für ihre erste Show in der französischen Hauptstadt durch Feuer und Naturgewalten inspirieren ließ und «La Monnaie de Paris» als Rahmen für ihr Defilé erwählte, ein öffentliches Gebäude, das die Verwaltung der Münzprägestätte beherbergt und wo die Designer während der Paris Fashion Week Räumlichkeiten mieten können.

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nn sich die Pariser Modewelt auch dem Spiel «Bäumchen wechsle dich» hingibt und die Stylisten in einem Innovationsprozess gefangen sind (man denke dabei an die letzten Kollektionen von Manish Arora, Haider Ackermann und Viktor & Rolf), so zeichnen sich die Veranstaltungsorte durch immer größeren Komfort aus. Die Zeiten, in denen man ein GPS brauchte, um zu den Defilés von Galliano zu gelangen, sind vorbei. Die Fashionwelt spielt sich auf engem Raume ab… genauer gesagt an drei Orten: Opéra - Rivoli - Alma Marceau / Champs Elysées, dazu einige kleine Säle auf dem linken Seineufer oder im Marais. Ein Pavillon auf dem Platz de la Concorde hat den der letzten Saison an der Brücke Alexandre III abgelöst. Sonia Rykiel, Vivienne Westwood, Barbara Bui und Jean-Charles de Castelbajac haben dort ihre Modeschauen veranstaltet.

Lutz, Amaya Arzuaga und Damir Doma haben einen Flügel des Grand Palais belegt, der Lieblingsort des Hauses Chanel, das zu den wenigen gehört, die den großen Saal mieten können. Die Halle Freyssinet und die Docks en Seine, die Stadt der Mode, haben an Glanz verloren. Auf der entgegengesetzten Seite der Stadt hat der ursprüngliche Charakter des Palais de Tokyo die Amerikaner Zac Posen und Rick Owens in seinen Bann geschlagen, aber auch die Marke Martin Margiela, Yohji Yamamoto, Vanessa Bruno, Felipe Oliveira Baptista und Haider Ackermann, der als Nachfolger von Galliano bei Dior ins Spiel gebracht wird. Es war eine Modewoche der Paradoxe, im Umschwung befangen, offen und zentriert zugleich.

Von unserem Korrespondenten in Paris

Foto 1 und 3: Celine
Foto 2: Steffie Christiaens